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Interaktives DatendossierEin Vergleich von Ost und West aus ostdeutscher Sicht
Ein ARD-Multimedia-Projekt von DasErste, RBB und MDR im Rahmen des Reportage-Projektes: "Wir Ostdeutsche"
Datenrecherche und Aufbereitung: Martin Kopplin, Hoferichter & Jacobs GmbH
Digitale Umsetzung: Philipp von Nathusius
Datenanalyse – Übersicht
InhaltWir Ostdeutsche – Daten, Zusammenhänge, AnalysenUntersuchte Lebensbereiche
DatenanalyseOst und West statistisch
Da in den zugrunde liegenden Daten das ehemalige Ost-Berlin häufig nicht einzeln ausgewiesen werden kann, wird im Einzelfall angegeben, ob die Daten für Ostdeutschland Berlin als Ganzes beinhalten, sich auf die ostdeutschen Flächenländer ohne Berlin beziehen oder das ehemalige Ost-Berlin miteinbeziehen. Als Ostdeutsche wird, wenn nicht anders angegeben, der Teil der Bevölkerung bezeichnet, der seinen Wohnsitz in Ostdeutschland hat.
Die Darstellung der Grafiken ist für die Ansicht im Querformat auf größeren Endgeräte-Displays (PC, Tablet) optimiert. Sollten Sie Probleme bei der Darstellung haben, können Sie hier das umfassende Datendossier auch als PDF herunterladen.
Bevölkerung
BevölkerungWir Ostdeutsche...
… bestehen mittlerweile fast zur Hälfte aus Rentnern. Der Anteil der über 65-jährigen lag 1990 noch bei 23 Prozent, weniger als in Westdeutschland. Mittlerweile ist er auf 45 Prozent gewachsen, im Westen "nur" auf 35 Prozent.
Arbeitslosigkeit – der zentrale Unterschied
Erst arbeitslos – dann weg
Demografischer Wandel
Prognose: Bevölkerungsschwund
Der hinsichtlich Wanderungssaldo, Geburtenrate und Lebenserwartung moderaten Bevölkerungsprognose zufolge, leben in 40 Jahren nur noch 10,2 Mio. Menschen in den ostdeutschen Bundesländern – 2,3 Mio. weniger als heute.
Familie & Kinder
Familie und KinderWir Ostdeutsche...
… Frauen kriegen früher Kinder und bleiben insgesamt weniger kinderlos.
Nachwuchs-Sorgen
Nachwuchs-Sorgen
Die DDR-Regierung reagierte daraufhin mit der Einführung von Geburtenbeihilfen, Ehekrediten, und Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf, was die Geburtenziffer in den 1980er Jahren in der DDR wieder über die der Bundesrepublik hob. Nach der Wiedervereinigung sahen sich allerdings viele junge ostdeutsche Paare mit einer ungewissen beruflichen Zukunft konfrontiert und die Geburtenrate sank auf einen historischen Tiefststand, denn an Kinder kriegen war in dieser Situation für viele nicht zu denken. Noch weitere 15 Jahre wurden in Ostdeutschland deutlich weniger Kinder pro Frau geboren als in Westdeutschland, bis sich die Geburtenziffern 2005 wieder angeglichen haben und heute ähnlich hoch sind.
Anteile kinderloser Frauen
Mehr Schwangerschaftsabbrüche im Osten
Nach der Wiedervereinigung wurde die gesamtdeutsche Gesetzgebung reformiert, was Schwangerschafts-Abbrüche in Ostdeutschland wieder vor größere Hürden stellte.
Bild: Demonstration in Berlin am 30.September 1990 gegen Paragraf 218 und die Übernahme der bundesdeutschen Abtreibungs-Gesetzgebung
Kinder ja, Ehe nein?
In Westdeutschland sind es mit 30% nur halb so viele.
Krippenplätze: Vorbild Ostdeutschland
Die Wurzeln der unterschiedlichen Versorgungsquoten liegen in den verschiedenen Betreuungssystemen der DDR und der Bundesrepublik, die sich noch lange nach der Wiedervereinigung auf das Angebot an Einrichtungen auswirken. Während Kinderbetreuung in der DDR kostenlos angeboten wurde und vor allem zum Ziel hatte, dass Mütter rasch wieder ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen konnten, mussten die Eltern in den alten Bundesländern die Kosten selbst tragen und konnten ihre Kinder oft nur halbtags betreuen lassen.
Frauen
FrauenWir ostdeutschen Frauen...
... werden im Vergleich zu den Männern besser bezahlt als westdeutsche Frauen.
... verdienen mancherorts sogar mehr als die ostdeutschen Männer.
Bild: Straupitz, Brandenburg, Frauen in sorbisch-wendischer Spreewaldtracht tanzen zum Zapust, der Wendischen Fastnacht.
Geerbte Emanzipation
Nach der Wiedervereinigung war unter Ostdeutschen der Anteil, der bei dem Thema Erwerbsarbeit eine Angleichung der Geschlechterrollen befürwortet, deutlich höher als in Westdeutschland. In der DDR wurde Frauenerwerbsarbeit durch sozialpolitische Maßnahmen gefördert und das Gehalt der Frauen war zusätzlich ein essenzieller Bestandteil der Familieneinkommen.
Dieser Aspekt spielte auch noch nach der Wiedervereinigung in vielen ostdeutschen Familien eine entscheidende Rolle. Zudem wurde die Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern seit Generationen vorgelebt und so zur Selbstverständlichkeit.
Bild: VEB Rohrleitungs-Kombinat in Bitterfeld, Arbeiterin am Maschinenstand, aufgenommen am 1. Januar 1989.
Im Osten gehen mehr Frauen arbeiten
Als die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland stieg, sank vor allem der Anteil erwerbstätiger Männer. Die Erwerbstätigenquote der Frauen blieb auf vergleichsweise niedrigem Niveau stabil.
Seitdem unterscheidet sich der Anteil erwerbstätiger Männer und Frauen in Ostdeutschland kaum. In Westdeutschland ist der Unterschied hingegen weiterhin groß.
Gender-Pay-Gap: Im Osten geringer
Der sogenannte Gender-Pay-Gap, also die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern, liegt in Ostdeutschland gerade einmal bei 7%, in Westdeutschland hingegen bei 21%. Jedoch ist die Gehaltslücke in Ostdeutschland seit 2006 nicht mehr kleiner geworden, im Westen hingegen schon.
Der Gender-Pay-Gap ist dort besonders ausgeprägt, wo Männer in noch immer von Männern dominierten Branchen viel verdienen: An Industriestandorten in Westdeutschland, wie im Kreis Dingolfing-Landau, in dem BMW produziert oder am Audi-Sitz Ingolstadt.
Verdienen Männer vergleichsweise wenig, wie es flächendeckend in Ostdeutschland der Fall ist, fällt der Abstand zu den Gehältern der Frauen außerdem weniger ins Gewicht.
Außerdem arbeiten Frauen in Ostdeutschland häufiger im öffentlichen Dienst, der tarifgebunden bezahlt wird und sitzen häufiger in Führungspositionen als in Westdeutschland.
Konsum und Wohnen
Konsum und WohnenWir Ostdeutsche...
... sind nur zu einem Drittel Wohnungseigentümer, Westdeutsche zur Hälfte. Der Abstand zwischen Ost und West bleibt seit 20 Jahren etwa gleich.
Leben im Osten günstiger
Bild: Günstige Mieten unweit vom Zentrum einer Universitätsstadt: der Jenaer Plattenbaubezirk Lobeda (Link: MDR-Zeitreise)
Wohnen in den eigenen vier Wänden – seltener im Osten
In Westdeutschland werden heute knapp die Hälfte aller Wohnungen von ihren Eigentümerinnen und Eigentümern selbst bewohnt, in Ostdeutschland nur gut ein Drittel der Wohnungen.
Als einziges ostdeutsches Bundesland liegt Brandenburg leicht über dem Bundesdurchschnitt.
Einkommen und Vermögen
Einkommen und VermögenWir Ostdeutsche...
... bekommen weit weniger Geld aus der Erbschaftssteuer. Auf gerade mal 200 Millionen Euro (2019) sind die jährlichen Einnahmen seit 1990 gestiegen, im Westen von 3 auf 6,5 Milliarden.
Löhne und Gehälter: West-Ost-Gefälle
In keinem ostdeutschen Landkreis erreicht das mittlere Einkommen den gesamtdeutschen Einkommensdurchschnitt: Am geringsten sind die Einkommen in Görlitz, im Erzgebirgskreis, im Landkreis Vorpommern-Rügen und im Altenburger Land mit rund 2.300€ brutto und liegen damit bei weniger als 70% des deutschen Mittels.
In der Universitätsstadt Jena ist das Gehalt mit im Schnitt knapp 3.200 Euro brutto noch am höchsten.
Weniger Geld zum Sparen
Doch trotz dieser Entwicklung näherte sich das verfügbare Einkommen zwischen Ost- und Westdeutschland kaum an.
Bild: Umgetausche D-Mark, aufgenommen in Leipzig am 1. Juli 1990, dem Tag der innerdeutschen Währungsunion.
Das politische Klima
Das politische KlimaWir Ostdeutsche...
... sind selten Mitglied in einer Partei.
Parteimitgliedschaften: Neue Parteien sorgen für Stabilisierung
Kurz nach der Wiedervereinigung war ein ähnlich großer Bevölkerungsanteil in West- wie in Ostdeutschland in den im Bundestag vertretenen Parteien organisiert. Wenige Zeit später verloren die Parteien jedoch reihenweise Mitglieder.
In Westdeutschland hat sich seither der Anteil von Parteimitgliedern in der Bevölkerung von 2,9% auf 1,6% fast halbiert – in Ostdeutschland gibt es sogar rund zwei Drittel weniger Parteimitglieder als noch 1991.
Die Debatten zur Flüchtlingspolitik politisierte in der Zeit die Bevölkerungsgruppen, was sich in den Parteieintritten widerspiegelt. Auch die Mitgliederzahlen der SPD und der FDP stabilisierten sich in Ostdeutschland.
In Westdeutschland glichen Gewinne bei AfD, Linke, FDP und Grüne die Verluste bei Union und SPD in etwa aus.
Eine Ausnahme zum ansonsten eher geringen Organisationsgrad der Ostdeutschen in Parteien zeigt sich bei der AfD: 2019 waren 0,03% der Bevölkerung Westdeutschlands Mitglied der AfD, in Ostdeutschland waren es doppelt so viele.
Kaum Vertrauen in die Bundespolitik
Sowohl in Ost- als auch Westdeutschland wird den politischen Parteien eher wenig Vertrauen geschenkt: 53% der ostdeutschen Bevölkerung geben an, den politischen Parteien nicht oder nur wenig zu vertrauen, in Westdeutschland sind es 46%.
Wirtschaft
WirtschaftWir Ostdeutsche...
... arbeiten seltener für ein deutsches Spitzenunternehmen.
... tragen pro Kopf weniger bei zum BIP als Westdeutsche.
Andere Dimensionen
Darin liegt unter anderem der wirtschaftliche Rückstand Ostdeutschlands begründet, denn Großbetriebe sorgen für eine stärkere Wirtschaftskraft in ihrer Region, indem sie auch die Dienste kleinerer Zulieferbetriebe beanspruchen. Sie können produktiver arbeiten, indem sie größere Produktmengen bei geringeren Kosten verarbeiten.
Bild: Glashütte im Jahr 2017, ein Uhrmacher montiert ein Uhrwerk anlässlich des Jubiläums "Union Glashütte - 125 Jahre Deutsche Uhrmacherkunst"
WirtschaftOb Daimler, Siemens oder Bayer...
Darüber hinaus gilt für die wenigen Großbetriebe in Ostdeutschland: Sie fallen häufig unter den kommunalen Versorgungsauftrag oder haben ihren Mutterkonzern dennoch in Westdeutschland oder im Ausland.
Produktivitätslücke
Doch auch in den kleineren ostdeutschen Betrieben mit ostdeutschem Unternehmenssitz ist die Produktivität geringer: Im Schnitt sind diese über 20% weniger produktiv als vergleichbare Unternehmen in Westdeutschland. Ursachen dafür liegen unter anderem am Standort, der einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung ausüben kann. Die ostdeutsche Unternehmenslandschaft ist größtenteils fernab der produktiveren urbanen Regionen angesiedelt.
Bildung
BildungWir Ostdeutsche...
... werden von den bundesweit ältesten Lehrern unterrichtet.
BildungSchulabbruch: Häufiger im Osten
Nur Brandenburg schneidet als ostdeutsches Bundesland besser als die westdeutschen Bundesländer Schleswig-Holstein und Bremen ab.
Die verhältnismäßig meisten Schulabbrüche gibt es in Eisenach, darauf folgen die pfälzische Stadt Ludwigshafen, die ostdeutschen Landkreise Jerichower Land und Sonneberg und die ostdeutsche Großstadt Chemnitz.
Finanzielle und zeitliche Kapazitäten reichen oft nicht aus, um sich mit Schüler/-innen über ihre Entscheidung zu unterhalten und andere Perspektiven aufzuzeigen.
Mehr höher Qualifizierte im Osten
In der DDR boten Berufsschulen unter anderem die Möglichkeit, die Fachhochschulreife nach Abschluss der Polytechnischen Oberschule zu erlangen. Eine Ausbildung zu machen, war damals die Regel und ist auch in der nachkommenden Generation üblich.
Bild: Glasbläserklasse beim Unterricht, vermutlich aufgenommen um 1950 in Lauscha (Thüringen)
Im Osten droht massiver Lehrermangel
Fast zwei Drittel der ostdeutschen Lehrkräfte haben allerdings die 50 bereits hinter sich gelassen. Frischer Wind im Lehrerzimmer bleibt eher aus: Nur jede siebte Lehrkraft ist hier unter 35 Jahre alt. In Ostdeutschland rücken also weniger junge Lehrkräfte nach, wenn die älteren in den Ruhestand gehen.
Es kommt ein massiver Lehrermangel auf Ostdeutschland zu, wenn die heute knapp 60.000 über 50-jährigen Lehrkräfte in den nächsten Jahren pensioniert werden – und das, obwohl die Anzahl an Kindern in Ostdeutschland zurückgeht.
Mobilität
MobilitätWir Ostdeutsche...
… verbringen unsere Freizeit weniger mit Smartphone, Netflix-Serien und Computern als Westdeutschen, fahren dafür lieber Rad.
ÖPNV: Ausbau-Stillstand in Ostdeutschland
Doch der lässt auch in den ostdeutschen Bundesländern weiter auf sich warten. Während beispielsweise eine ICE-Fahrt von Nürnberg nach Erfurt nicht einmal 1,5 Stunden dauert, braucht es von der Thüringer Kleinstadt Schalkau nach Erfurt mit der Bahn beinahe 3 Stunden, bei einer Strecke von rund 97 Kilometern.
Gesundheit
GesundheitWir Ostdeutsche...
…bekommen viel häufiger weibliche Ärzte zu Gesicht. Weit mehr als die Hälfte der Ärzte im Osten sind weiblich. Im Westen ist es genau umgekehrt, hier gibt es weit mehr männliche Ärzte.
GesundheitBeschäftigte im Osten öfter und länger krankgeschrieben
Auch dies hängt mit der starken Alterung der ostdeutschen Gesellschaft zusammen. Junge, tendenziell gesündere Fachkräfte sind besonders häufig aus Ostdeutschland abgewandert.
Die Doku im Ersten: "Wir Ostdeutsche"
Was heißt es, ostdeutsch zu sein nach 30 Jahren im vereinten Land?
Download: Das komplette Datendossier als PDF
Die umfassende Datenrecherche zu 30 Jahren Deutsche Einheit.
Wie die D-Mark in den Osten kam
Die Geschichte eines gewaltigen Kraftakts – mit hohen Risiken. Eine Multimedia-Reportage.
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Geschichte erleben, Geschehens erfahren, Zusammenhänge verstehen: Alle Dokus aus der Reihe "Geschichte im Ersten".